Noch nie habe ich ein Fahrzeug gefahren, über das ich nicht locker hätte drüberblicken können. Jetzt stehe ich beim Wohnmobil-Vermieter vor einem fast drei Meter hohen und über sieben Meter langen Vehicle. Der Vermieter erklärt mir alle Funktionen des Fahrzeugs: Wie man die Toilettenkassette leert, wo Strom und Wasser an- und auszustellen sind, wie der Fernseher und die Satellitenantenne zu bedienen sind und welche Knöpfe zum Kühlschrank gehören. Das Wohnmobil ist enorm geräumig und bietet viel Bewegungsfreiheit. Im hinteren Teil befinden sich zwei Längsbetten, die man zu einem Ehebett umfunktionieren kann. Wir verstauen unsere Sachen rutschfest in den Schränken und der Heckgarage, füllen den Kühlschrank und nehmen Platz auf den drehbaren Sitzen mit zwei Armlehnen.

Mit diesem Ungetüm werden wir in den nächsten zwei Wochen durch Schweden reisen. Auf uns warten viel Spaß, Abenteuer und völlige Freiheit. Die riesigen Scheiben rundum gewähren uns einen fantastischen Blick auf die Landschaft. Allerdings habe ich das Gefühl, mit dem monströsen Wagen, die ganze Zeit auf zwei Spuren gleichzeitig zu fahren. Überall lauern enge Kurven, in die ich großzügig einlenken muss, um zu verhindern, dass die Reifen an den Bordstein schrappen. Auf der Autobahn werde ich durch den enormen Sog eines anderen WOMO’s angezogen. Ich lenke sofort dagegen und spüre, wie sich mein Puls drastisch erhöht. So ein Fahrverhalten kenne ich vom Pkw nicht. Es ist schon spät und wir übernachten auf einem Campingplatz direkt an der Ostsee.

Am nächsten Morgen liegt ein leichter Morgennebel über allem, der sich aber schon bald auflöst. Auf uns wartet eine neue knifflige Situation bei Puttgarden. Dort teilt der Fehmarnsund Deutschland und Dänemark und ich muss mit dem Wohnmobil auf die Fähre. Fingerspitzengefühl ist gefragt, als ich neben einem anderen Camper auf dem Schiff einordnen soll. Echte Millimeterarbeit, doch alles läuft glatt. Leicht schwankend bringt uns die Fähre in 45 Minuten ans andere Ufer. An der Zollstation in Rödby zeigt mir ein Schild, dass man in Dänemark auch tagsüber mit Licht fahren muss. Langsam bekomme ich Übung und bleibe ganz cool, wenn mich andere Fahrzeuge überholen. Nach 2 Stunden erreichen wir die Öresundbrücke, die Dänemark mit Schweden verbindet.

Nach einer Rast am Ufer des Ellenösjö steuere ich das Wohnmobil auf der kurvigen Landstraße weiter in Richtung Norden. Als mir auf einer schmalen Schotterstraße im Nirgendwo zwischen Kråkviken und Bengsfors ein Holztransporter entgegen kommt, gerate ich tüchtig ins Schwitzen. Wo soll ich hin? Ich bremse und schalte runter. Schließlich passen die beiden Riesen-Fahrzeuge doch noch locker aneinander vorbei. Der Lkw-Fahrer grüßt freundlich, ich winke leicht angespannt zurück. Als der Lkw im Rückspiegel immer kleiner wird, lache ich.

Die Sonne steht schon tief und wir suchen uns am Lelång einen Übernachtungsplatz. Anders als in Deutschland, darf man in Schweden fast an jedem See mit dem Wohnmobil oder Wohnwagen übernachten. Wir sind an einem Zauberort angekommen, gerade mal zwei Stunden, aber Welten entfernt von Göteborg. Wir holen den Holzkohlegrill aus der Heckgarage und grillen uns die mitgebrachten Koteletts. Ein Gefühl grenzenloser Freiheit. Jeder ist ein Nomade – wenn nicht mit den Beinen, dann im Kopf. Wer braucht schon Hotels oder Restaurants, wenn man sein Bett und die Küche stets dabei hat.

Autor: Erich Hartmann

Mit dem Wohnmobil durch Schweden