Unsere Tour führt uns ins nordschwedische Norrbotten. Diese raue Landschaft ist die Heimat der Sami und der Rentiere. Nachdem ich im Internet Fotos vom Lainioälven gesehen hatte, wollte ich unbedingt mal eine Wildwassertour auf dem Fluss machen. Die nahezu menschenleere Gegend ist besonders gut zum Paddeln geeignet.
Von Vittangi bringt uns ein Bus zum Fiskecamp nach Lainio. Auf dem flachen Wiesenufer des Lainioälven liegen schon die Kanus bereit. Sie sind aus Fiberglas, das sich nach unsanftem Kontakt mit scharfen Steinen rasch reparieren lässt. Der Lainioälven bietet auf Grund seines natürlichen Verlaufs bei einigen Stromschnellen der Klasse 4 einen puren Adrenalinkick.
Fredrik, unser Tourenführer, verteilt die Isolieranzüge und Schutzhelme. Als das letzte der Kanus das Ufer verlässt, hat sich unsere Gruppe bereits auf mehrere hundert Meter Strecke verteilt. Rhythmisch tauchen unsere Paddel in den Lainioälven ein. Einige Strudel zeugen von verborgenen Felsen unter der Oberfläche. Fredrik deutet auf eine Warntafel am Ufer, die vor Stromschnellen warnt. Die ersten beiden können wir noch durchfahren. Dann gehen wir an Land und sehen uns die anderen erst mal von oben an. Hoch über dem steilen Ufer suchen wir den Pfad zu den nächsten Stromschnellen, um das schwierige Stück von oben abzuschätzen. Unsere Erkundung verheißt nichts Gutes. Die Route führt zwischen Granitbrocken durch eine schmale Bahn direkt auf eine Felswand zu.
Es ist soweit, die Reihe ist an uns. Im Vertrauen auf seine Erfahrung nehme ich den Schweden Arvi als Begleiter und überlasse ihm das Ruder. Nicht weit vor uns braust und schäumt es wie in einer Hexenküche. Die vom Ufer aus gedachte Streckenführung versinkt im Strudel der Empfindungen und Ängste, während uns einer der Felsbrocken, die den Durchlass säumen, immer näher kommt. Ein Zurück gibt es nicht. Eher hüpfend als gleitend treiben wir hilflos auf den grauen Granit zu. Was da auf uns zukommt, ist gewaltig.
Ich reiße den rechten Arm mit dem Paddel nach oben, das Kanu schrammt am Felsen entlang und nimmt einen mächtigen Wasserschwall auf. Wir schießen schräg durch die Wasserwalze. Dabei klatscht es mir von vorne auf meinen weiten Thermoanzug. In wenigen Sekunden werden wir an die Felswand prallen. Nun vertraue ich nur noch auf meinen Schutzhelm, da drehen wir plötzlich 45 Grad nach links. Vorbei. Auf einmal treiben wir in ruhigem Wasser. Im Boot schwappt es hin und her. Nichts wie ans Ufer. Dort steht Fredrik schon mit trockener Kleidung. Mein schwedischer Steuermann und ich klopfen uns gegenseitig auf die Schultern. „Bra, bra“, lobe ich auf Schwedisch seine Künste. Abends am Feuer gesteht mir Arvi, dass er diese Stromschnellen zuvor noch nie befahren habe.
Autor: Erich Hartmann